Zahlreiche Kameramänner und Journalisten haben sich am 1. Oktober im Rathaus Schöneberg eingefunden. Im Rathaus war es stickig; zahlreiche Gäste, die sich eingefunden haben, wirkten müde. Das Wetter hätte ebenfalls besser sein können. Dicke Wolken verdeckten die Sonne; leichter Nieselregen sorgte für ein klassisches Herbstwetter. Keinesfalls kann hier von einer Traumhochzeit gesprochen werden – für das Pärchen, das sich jedoch an diesem 1. Oktober das Ja-Wort gab, war das aber nicht wichtig. Karl Kreile und Bodo Mende waren die ersten Homosexuellen, die sich um 9.30 Uhr das Ja-Wort gaben. Die erste gleichgeschlechtliche Ehe wurde also im Goldenen Saal in Schöneberg geschlossen. Ein historischer Moment für Deutschland. Genau deshalb hat das Standesamt auch am Sonntag die Tore geöffnet. „Für uns war es wichtig, dass wir genau am 1. Oktober heiraten“, so Bodo Mende. Schlussendlich steht seit dem 1. Oktober im Grundgesetz, dass die Ehe von Personen des gleichen Geschlechts geschlossen werden darf. Kreile und Mende waren die ersten Homosexuellen, die von diesem neuen Recht Gebrauch machten.

Ein ganz besonderer Tag

Beide haben graue Anzüge getragen; Sekt und Schnittchen waren selbstverständlich vorbereitet. Alles erinnerte an eine gewöhnliche Hochzeit. Nur die Regenbogenfahne, die am Tisch des Standesbeamten Gordon Holland lag, wirkte – so komisch das auch klingen mag – fehl am Platz. „Sind Sie so aufgeregt wie ich?“, fragte er das homosexuelle Paar. Der Standesbeamte war wohl vor allem deshalb aufgeregt, weil er noch nicht wusste, ob das System aktualisiert war. Schlussendlich musste auch im Zuge der Gesetzesänderung die Software auf den neuesten Stand gebracht werden, sodass nun auch gleichgeschlechtliche Paare erfasst werden können. In Berlin haben am 1. Oktober noch zehn weitere homosexuelle Paare geheiratet. Auch wenn es seit dem Jahr 2001 möglich ist, dass die Partnerschaft „eingetragen“ werden kann, so war es zahlreichen Homosexuellen wichtig, genau am 1. Oktober zu heiraten. Kreile und Mende sind seit dem Jahr 2001 „verpartnert“ – insgesamt sind sie schon seit mehr als 38 Jahren ein Paar. Was sich für sie ändern wird? Nichts. Beide behalten ihre Nachnamen, beide werden auch weiterhin getrennt leben. Nach der Zeremonie dürfen sie sich auch in das „Goldene Bezirksbuch“ eintragen. „Das ist ein ganz besonderes Paar. Wir haben lange dafür gekämpft, dass sie diesen Tag erleben können“, so Angelika Schöttler, die Bezirksbürgermeisterin. Zur Feier des Tages trägt sie eine Regenbogen-Halskette.

„Wir erwarten keinen Ansturm.“

In Tempelhof-Schöneberg gibt es bereits 50 Anmeldungen. In fast allen Fällen sollen die eingetragenen Lebenspartnerschaften, wie etwa bei Karl Kreile und Bodo Mende, umgeschrieben werden. In Deutschland leben – seit dem Jahr 2015 – rund 43.000 Paare in einer eingetragenen Partnerschaft. Auch wenn es, so die Homosexuellen-Vereinigungen, keinen Ansturm geben wird, so kann man davon ausgehen, dass sich immer mehr gleichgeschlechtliche Paare demnächst das Ja-Wort geben werden. Vor allem werden jene davon Gebrauch machen, die sich in einer „eingetragenen Partnerschaft“ befinden. Ob alle ihren Nachnamen behalten werden oder ob es auch demnächst hier zu Nachnamensveränderungen kommen wird, kann noch nicht gesagt werden. Am Ende spielt es auch keine Rolle. Wichtig ist, dass sich auch jene nun das Ja-Wort geben können, die dasselbe Geschlecht lieben. Besonders schön ist es, dass am 1. Oktober Berlin im Mittelpunkt stand – eine Stadt, die schon seit Jahrzehnten beweist, dass sie offen und tolerant ist.